Meine Tiere empfinden Menschenmengen hinter dem Zaun nicht als Bedrohung. Das sonst wolfstypische Verhalten – vor Menschen zu flüchten – fehlt bei ihnen weitgehend. Sie öffnen sich in ihrem Verhalten und machen das Beobachten für die Besucher einfacher. Das Kennenlernen aus nächster Nähe fördert den Respekt und Achtung vor dem Wolf als Mitgeschöpf und steigert das Interesse der Öffentlichkeit an den wildlebenden Artgenossen. So wurden meine Wölfe zu Botschaftern ihrer freilebenden Verwandten.
Die Vorteile einer Handaufzucht überwiegen zum Wohl der Tiere alle Bedenken. Das vertrauensvolle Verhältnis erleichtert den täglichen Umgang, ermöglicht durch die direkte Nähe, dass ich z.B. Krankheitssymptome viel schneller entdecke und eine präzise Diagnose (zum Beispiel durch Abtasten) erstellen kann. Ich kann meine Wölfe in meinem Dabeisein ohne Narkose von einem Tierarzt behandeln lassen bzw. die Tiere im Notfall relativ stressfrei in die Tierarztpraxis transportieren. Weiterführende therapeutische Maßnahmen wie Auftragen von Salben oder regelmäßige Verabreichung von Medikamente sind problemlos durchführbar.
Meine Tiere sind durch die Handaufzucht weder dressiert, noch zahme Haustiere. Trotz ihrer Sozialisation auf den Menschen zeigen sie gegenüber Artgenossen ein unverändertes wolfstypisches Verhalten. Es gibt keine Fehlprägungen: als Partner werden Artgenossen gewählt und gegenüber Jungtieren verhalten sie sich normal und arteigen. Der Wolf ist nach wie vor kein Kuscheltier oder Haustier, sondern ist und bleibt ein Wildtier.
Wölfe unterscheiden sich sehr in ihrem Aussehen, Charakter und Temperament. Jeder von ihnen ist eine einzigartige Persönlichkeit mit Stärken, Schwächen und Vorlieben und ich möchte sie hier kurz vorstellen.
In Freiheit geboren, im Alter von ca. 9-10 Wochen in Brandenburg entkräftet und scheinbar taub aufgefunden, kam er für eine Übergangszeit in unsere Wolfsauffangstation im Wildpark Lüneburger Heide. Lindo ist sehr anpassungsfähig und hat die Reise zur belgischen „The Wolf Conservation Association“ gut überstanden. In Belgien hat er sich schnell eingelebt und hat sich mit seinen neuen Pflegern angefreundet. Die Tatsache, dass er wieder normal hören kann, macht sein Leben vollständiger. Lindo wird bald eine passende Partnerin bekommen.
Das Wolfsmädchen „Baby Bo“ wächst gut behütet bei ihren Eltern auf – bei der Polarwölfin Nitika und dem Wolfsrüden Inuk – und entwickelt sich zu einer selbstbewussten hübschen Teenagerin. Schon bei ihren ersten kurzen Ausflügen außerhalb der Wurfhöhle krabbelte sie neugierig und zutraulich zu dem Menschen, dessen Geruch sie kannte. Wir mussten uns leider von Bo trennen, weil zwei Wölfinnen nicht auf Dauer in einem Gehege leben können.
Heute lebt Bo mit ihrem Partner, Polarwolf Elliot in Belgien in der Obhut der „Wolf Conservation Association“. Sie ist eine wunderschöne Wölfin geworden, die Menschen gegenüber offen und freundlich ist.
Anuschka ist eine außerordentlich liebenswerte und sensible Wölfin. In Freiheit geboren suchte sie im Alter von etwa 3,5 Wochen Anschluss an Menschen. Da es keine Lebenszeichen ihrer Eltern gab, konnte sie nicht wieder zurück in den Wald gebracht werden. Sie wurde am Anfang von meiner Hündin Vega begleitet, die ihr half, in den neuen Lebensraum hinein zu wachsen.
Inuk ist einfach ein Energiebündel. Mit seinen langen Beinen macht er Luftsprünge aus dem Stand so hoch, dass ich es kaum glauben kann. Er mag Menschen, er ist offen und freundlich und manchmal gerne heftig und überschwänglich. Auf fremde Hunde ist er gar nicht gut zu sprechen. Mit Nitika bildet er inzwischen ein unzertrennliches Paar.
Kolja ist ein wunderschöner Wolf mit einem markanten dunklen Fleck zwischen den Augen. Er kann sich sehr stürmisch freuen, wenn er entspannt ist – ebenso ausgeprägt kann er sich aber auch fürchten z.B. vor Elektrowagen, wie sie im Wildpark benutzt werden. Wenn er sich dann wieder beruhigt, möchte er vertrauten Menschen ganz nah sein und überschüttet sie mit Zuneigung.
Petja verhält sich manchmal ausgesprochen albern und ausgelassen, dann hüpft und springt er herum wie man es von einem Wolf nicht erwarten würde. Schon als Welpe und als Jungwolf kletterte er gerne auf den Schoß, war ein ausgesprochener Schoßwolf. Nun hat er sich zu einem recht ausgeglichenen erwachsenen Wolf entwickelt, den aber immer wieder der Hafer sticht.
Mischa war als Welpe eine starke Persönlichkeit. Er spielte viel und gerne ausgiebig mit seinem Bruder Petja, gegenüber anderen Wölfen war er oft alles andere als sanft. Seit September 2020 lebt er mit der wildgeborenen Anuschka zusammen. Mischa ist erwachsen geworden. Er verhält sich zu unserer Freude geduldig und ruhig Anuschka gegenüber und ist in ihrer Gegenwart ein sanfter Wolf.
Im Alter von knapp 11 Jahren ist mein Cheenook in den Wolfshimmel umgezogen. Viel zu früh. „Dienstlich“ war er der älteste, vom Charakter war er der sanfteste meiner Wölfe … ein sanfter Riese. Bei meinen Führungen haben ihn viele Menschen kennen und schätzen gelernt. In ihren Herzen lebt Cheenook weiter. Ich werde ihn auch nie vergessen.
Daylight ist leider nur knapp 4 Jahre alt geworden. Sein unerwarteter Tod war ein Schock für alle die ihn kannten. Er starb in meinen Armen und ich konnte diesmal nichts mehr für ihn tun. Daylight war ein Führer und seinen Artgenossen gegenüber sehr dominant. Menschen gegenüber, die er kannte und akzeptierte, war er außergewöhnlich sensibel und einfühlsam. Seine dunklen, haselnussbraunen Augen werde ich nie vergessen.
Flöckchen, du warst meine beste Lehrerin. Ich danke dir dafür. Das Buch „Unsere Wölfin Flocke“ war nur dir allein gewidmet.
Auszug aus einer Mail die mehr sagt, als ich es könnte.
„Es gibt bei den Pfadfindern ein Waldläuferzeichen, einen Kreis mit einem Punkt in der Mitte. Es bedeutet: Ich habe meine Aufgabe erfüllt und bin nach Hause gegangen.
Ich denke, Flocke kann dieses Zeichen auch machen. All das, was du über den Wolf gelernt hast, hat sie dir beigebracht. So wird sie immer bei dir sein. Wohl kaum ein anderes Tier könnte so etwas von sich behaupten, oder? Jetzt wird sie mit den anderen Weggefährten irgendwo da oben sitzen, und passt auf, dass dir nichts passiert und du das Gelernte weiterhin für andere Wölfe einsetzt. “
Als Welpe sehr vorsichtig und schüchtern, als Erwachsener überlegt und konsequent. Er war der Größte aus der Gruppe und stand in der Rangordnung über 8 Jahre ganz oben. Filou war ein sanfter Riese und sorgte mit seinem starken Charakter für Ordnung und Frieden. Filou kämpfte am Ende monatelang mit einer chronischen Lungenerkrankung und wurde bis zu seinem Tod von seinem Rudel als Chef akzeptiert.
Yumchen hatte eine schwere Erkrankung des peripheren Nervensystems.
Obwohl du in deinem kurzen Leben länger krank als gesund gewesen bist, warst du tapfer bis zum Ende. Wir kämpften Monatelang Seite an Seite und hofften die Krankheit besiegen zu können… wir wünschten uns es so sehr…
Mach’s gut du kleiner tapferer Kämpfer!
Die wunderschöne Naaja wurde in Kanada in der Nähe von Montreal geboren. Sie war lebhaft und frech mit starkem Durchsetzungsvermögen, sehr ursprünglich und extrem wach. Ihr Tod war unerwartet und schockierend. Naaja war im besten Alter als sie starb. Sie wurde durch einen Aorta-Abriss aus ihrem Leben gerissen, der hinzugerufene Notarzt konnte nichts mehr für sie tun.
Nanuk wurde im Wildpark Lüneburger Heide geboren. Als Jungwolf war er der „Grobmotoriker“ unter den Wölfen, aber je älter er wurde desto sanfter und ruhiger wurde er. Nanuk – das Bärchen – war ein imposanter liebenswerter Wolf, der sich hingebungsvoll um Welpen kümmerte und der sich mit allem und allen vertragen hat. Zwischen ihm und Polarwolf Noran ist im Laufe Jahre eine tiefe Freundschaft entstanden, die bis zu seinem Tod anhielt. Nanuk hat für einen Polarwolf ein biblisches Alter erreicht und hinterlässt eine schmerzhafte Lücke.
Lobo ist im Wildpark Poing geboren. Er war voller Gegensätze. Manchmal sensibel bis ängstlich, manchmal verspielt und albern, manchmal eifersüchtig oder aggressiv mit einer viel zu kurzen Zündschnur. Je älter er allerdings wurde, desto ruhiger, ausgeglichener und verschmuster wurde er.
Noran wurde im Wildpark Johannismühle geboren. Er war einziger Überlebender aus dem Wurf. Sein stark entzündeter Nabel wurde ihm auch fast zum Verhängnis, aber er wurde gesund gepflegt. Noran besaß einen ausgesprochen sanften, freundlichen und offenen Charakter. Mit Nanuk verband ihn eine starke, tiefe Männerfreundschaft. Als Nanuk altersbedingt starb, folgte ihm Noran schon wenig später…
Shadow ist im Bayerischen Tierpark Lohberg geboren. Er war ein außergewöhnlich willensstarker, sanfter, kluger Wolf und der geborene Kasper. Anderen Artgenossen gegenüber war er friedlich und wenn kleinere Konflikte in der Wolfsgruppe auftauchten, hat er sie auf charmante und spielerische Weise entschärft. Er behält in meinem Herzen einen besonderen Platz.
Ayasha ist im Wildpark Lohberg geboren. Als er kam wog er nur knapp die Hälfte des Gewichts, was andere europäische Grauwölfe in dem Alter haben. Er hatte auch einen wahrscheinlich genetisch bedingten Schönheitsfehler – ein angeborenes Stummelschwänzchen. Ayasha war sehr lebhaft und neigte zu Übertreibungen. Leider wurde bei ihm im Alter von einem Jahr eine schwere Epilepsie festgestellt, deren dramatische Entwicklung uns, die wir ihn kannten, erschütterte. Jeder neue Anfall brachte eine Verschlechterung. Zehn Monate nach der Diagnose mussten wir Ayasha schweren Herzens gehen lassen…
Als letzter Überlebender meiner alten Grauwolfgruppe führte Rico noch recht lange ein beschauliches Dasein. Ein Versuch, ihn in hohem Alter mit einem anderen Wolf zu vergesellschaften, scheiterte. Von seinem neuen Gefährten fühlte er sich gestört, er bevorzugte ein ruhiges Leben mit eigenen Abläufen, wollte seinen alten Gewohnheiten treu bleiben und sich nicht mehr auf Neues einstellen müssen. Wir denken dass er sich bis zum Schluss in seinem geschützten und seniorengerechten Gehege wohl fühlte mit großflächig überdachtem Raum für Regentage, schattigen Ecken für Sommer und Hitzetage, beheizbarer Tränke für den Winter und mit Sicht Kontakt zu anderen Wölfen.
Vasja war ein selbstbewusster Welpe mit einem ausgesprochen freundlichen Charakter. Als der Größte im Wurf brauchte er, ebenso wie seine Geschwister, aus gesundheitlichen Gründen ein neues Zuhause. Es zeigte sich früh, dass er mit einem souveränen, ausgeglichenen Wesen ausgestattet war. Darüber hinaus war er liebevoll im Umgang und suchte gerne körperlichen Kontakt. Seit 2019 lebte er mit der Wölfin Iko in Belgien unter der Obhut der „Wolf Conservation Association“, wo er sich eher reserviert zeigte. Im Mai 2023 erreichte uns die traurige Nachricht über seinen plötzlichen Tod. Die Obduktion hat ergeben, dass Vasja an Herzversagen gestorben ist.